Montag, 6. Januar 2020

Focus Online - Mal wieder ein sogenannter "Alltagstest" von Elektroautos in der Presse

Bei Focus Online gab es mal wieder eine Art "Alltagstest" bei dem mit einem Hyundai Kona (64kWh Version) eine Langstrecke gefahren wurde. Wie üblich bei solchen Artikeln, insbesondere bei Focus Online, ist der Text wieder sehr tendenziös gegen Elektroautos geschrieben. Auf Twitter hat der Artikel unter E-Auto Fahrern einen regelrechten Shitstorm erhalten, der teilweise zu Recht, teilweise aber auch zu Unrecht stattfand. Ich versuche mal, das möglichst neutral zu kommentieren und auch ein paar Tipps zu geben, wie man die auf der Fahrt aufgetretenen Probleme eliminieren kann.


Über den Autor des Focus Artikels

Der kurze Text über den Gastautor Bernd Ramler (Diplom-Ingenieur) soll scheinbar den Eindruck vermitteln, dass er sich mit Elektromobilität auskennt. Auf der verlinkten Homepage ist dazu aber nur sehr wenig zu finden. In erster Linie scheint er sich mit Technik und Software historischer Rennfahrzeuge zu beschäftigen. Er hat aber wohl auch an Tests zu Lithium-Batterien mit gearbeitet. Was das genau für Tätigkeiten waren, erfährt man allerdings auf der Homepage nicht.
Es gibt auf der Homepage nur einen Artikel, der sich am Rande mit E-Mobilität beschäftigt. Da geht es um die Schwierigkeiten, eine Wallbox beim Netzbetreiber zu beantragen und anzumelden. Der Artikel ist schon recht negativ angehaucht. Weiterhin gibt es ein paar Artikel auf der Homepage, die sich damit beschäftigen, dass Dieselfahrzeuge doch gar nicht so schlecht sind, wie darüber geredet wird.
Man erkennt also da schon die Tendenzen des Autors gegen Elektromobilität und für Verbrenner.

Wirkliche Erfahrungen mit einem E-Auto scheint Bernd Ramler nicht zu haben. Er scheint den Kona noch nicht lange zu fahren (Erstzulassung 17.12.2019) und ich vermute jetzt mal ganz einfach, dass es seine erste Langstrecke mit einem E-Auto war.

Kommentar zum Focus-Artikel

"Leider ist, auch hier wie bei fast allen E-Fahrzeugen, im 2019er Modell des Kona nur ein einphasiger 7,2 kW-Onboard-Lader verbaut, der aber aufgrund deutscher "Schieflast-Vorschriften" nur mit 4,6 kW lädt. Das heißt: Auch an stärkeren öffentlichen Ladesäulen lädt die Batterie mit maximal 4,6 KW, es wird also eine Ladezeit auf 100% bei leerer Batterie von ca. 15 Stunden gebraucht."
Die Information über den Onboard-Lader des Kona ist korrekt. Mittlerweile wird er in Deutschland allerdings mit einem 3-Phasen Lader mit 11kW max. Ladeleistung ausgeliefert. Das wird aber später im Artikel sogar noch erwähnt. Soweit alles OK.
Dann kommt allerdings die Aussage, dass er "aufgrund deutscher Schieflast-Vorschriften" nur mit 4,6kW laden würde. Das ist so erst mal falsch. An den meisten öffentlichen Ladesäulen kann der Kona mit ca. 7kW laden. Das mitgelieferte Kabel allerdings begrenzt den Ladestrom auf 20A und somit auf die genannten 4,6kW. Mit einem 32A Ladekabel kann der Kona allerdings mit bis zu 7,2kW laden.
"Viele öffentliche Säulen haben keine Schnellladeeinrichtung – nur 11 bis 22 KW. Hier muss ein fast leerer Hyundai Kona E über 10 Stunden die Säule blockieren. Erst an den Schnellladestationen an der Autobahn geht eine Ladung für ca. 200 Kilometer in einer Stunde."
Herr Bernd Ramler möchte eine Langstrecke fahren. Da frage ich mich, warum er erst mal auf der AC-Ladeleistung drauf herumhackt. Die interessiert auf Langstrecken überhaupt nicht. Insbesondere wurde in dem Artikel ein Bild eingestellt, wo mit 2,1kW an einer Schuko-Steckdose geladen wird und das dann halt 33 Stunden dauern soll. Das hat schon wieder einen tendenziösen Unterton, da die Ladedauer zu Hause fast völlig irrelevant ist. Mit einer simplen Wallbox sind Ladeleistungen von mindestens 3,6kW möglich und damit bekommt man über Nacht grundsätzlich die Menge an Strom, die man üblicherweise für den nächsten Tag benötigt.

Bei der Ladung an Schnellladern übertreibt er etwas mit der Ladezeit. Bei einem angenommenen Verbrauch von 20kWh/100km müssen für 200km also 40kWh geladen werden. An einem HPC-Charger, die auf der geplanten Strecke reichlich vorhanden sind, lädt der Kona die in ca. 30 Minuten nach anstatt der ganzen Stunde, die Herr Ramler angibt.
Hier muss man allerdings in der Tat leichte Abstriche machen. Im Winter, wenn der Akku noch kalt ist, ist die erste Ladung meist auf max. 58kW limitiert. Das ist wohl auch so auf seiner gefahrenen Strecke gewesen. Aber mit 45 Minuten Ladung sollte man beim Kona eigentlich immer hin kommen auf Langstrecke.

"Eine Langstreckenfahrt muss also gut vorgeplant werden. Und so lief sie ab:"
Das ist in der Tat leider wirklich immer noch so, insbesondere für E-Auto Neulinge gilt das. Mit wachsender Erfahrung minimiert sich dieser Aufwand aber immer weiter. Ich fahre viele Strecken schon komplett ohne vorherige Planung und schaue einfach bei jedem Ladestopp, welches die günstigste nächste Ladesäule auf dem Weg ist und ob diese funktioniert.

"Wir hatten bis Stuttgart zwei Ladepausen mit je einer Stunde eingeplant. Auf der A3 Ohligser Heide waren vier gute Ladesäulen - alle waren frei - und nach einigen Startversuchen mit einer Freischalt-App am Handy klappte die Ladung mit 58 KW Ladeleistung."
Die Hinfahrt scheint relativ problemlos gelaufen zu sein. Zumindest wird von den Ladestopps nicht viel erwähnt. Beim ersten Stopp, wohl bei Ionity, gab es wohl nur eine Ladeleistung von max. 58kW. Das ist beim Kona mit kaltem Akku im Winter leider normal, sollte beim zweiten Ladestopp dann aber kein Problem mehr sein.

Der zweite Ladestopp in Medenbach West wird nicht erwähnt, deshalb gehe ich davon aus, dass er problemlos lief. Das ist eine E.ON Ladesäule, die ich grundsätzlich meiden würde aber dazu später mehr.

"Auf der Rückfahrt wurden wir mutiger und kamen mit unter 100 Kilometern Restreichweite auf der A3 Raststätte Medenbach an – puh…. die einzige Säule dort war immerhin frei. Aber nach 30 Minuten Probieren und einem Anruf bei der EON-Hotline stellte sich heraus, dass diese Säule am Schnellladekabel defekt war."
Dieses Problem wäre vermeidbar gewesen, wenn man sich vorher besser vorbereitet hätte. Bei GoingElectric im Ladesäulenverzeichnis ist diese Ladesäule seit dem 06.12.2019 als defekt gemeldet.
Daher mein Tipp: Immer das Stromtankstellenverzeichnis bei GoingElectric checken und den Status der geplanten Ladesäulen prüfen. Weiterhin nochmal mit der App des Ladesäulenanbieters nach dem Status schauen. Das hätte in diesem Fall allerdings nichts gebracht, da Medenbach Ost in den meisten Apps als "verfügbar" angezeigt wird. Auch GoingElectric ist leider nicht das Allheilmittel. Problem hier: Wenn eine Ladesäule als defekt gemeldet wird, fährt auch kaum noch einer hin. D.h. der Status bleibt dann lange Zeit so, auch wenn die Säule längst wieder repariert ist.

Mit mehr Erfahrung mit dem E-Auto auf Langstrecken wird man schnell dahinter kommen, dass Ladesäulen bei E.ON (und auch bei innogy) meist nicht zuverlässig sind oder sich nur kompliziert per App freischalten lassen. Selbst wenn die einen Kartenleser haben, ist der oft deaktiviert und es geht nur per App. Aus diesem Grund kann ich nur jedem E-Auto Fahrer raten, Schnellader von innogy und E.ON zu meiden.

Ein weiteres Problem dieser beiden Anbieter ist, dass Defekte an Ladesäulen nur extrem langsam behoben werden. Die Säule in Medenbach Ost ist jetzt seit über einem Monat defekt vermutlich wegen eines kaputten Steckers. Da kann mir keiner sagen, dass das über einen Monat dauern muss, bis das repariert ist. E.ON hat einfach kein Interesse daran, ihre Ladesäulen funktionsbereit zu halten.

"Also weiter: Die Suche in der Lade-App ergab erst in Limburg eine weitere Schnelladesäule. Mit dem 4,6 kW OnBoard-Lader hätten wir trotz noch funktionierender 22 kW-Säule für 200 Kilometer Fahrt also 11 Stunden Ladezeit benötigt."
Da kann man jetzt dagegen halten, dass es selbst mit einem 22kW Onboard Lader im Kona noch 2 Stunden gedauert hätte, die auch kaum einer warten wollte. Der Kommentar war also völlig überflüssig. Natürlich wäre es schön, wenn jedes E-Auto 22kW AC laden könnte. Das können aber die wenigsten und normalerweise ist das auch gar kein Problem.

"Heißt: Mit schwitzenden Händen in Schleichfahrt hinter einem großen Wohnmobil im Windschatten bis Limburg….was auch gelang. Nur: Dort war die einzige Säule durch einen holländischen Audi belegt. Der Fahrer ließ sich überreden und dockte ab, er hatte als Hybrid noch ein paar Liter Benzin drin. Mal eine bescheidene Frage, liebe Bundesregierung: Wie soll das erst mit 30 -50 Autos pro Stunde - wie an den Kraftstoffsäulen zu sehen war - funktionieren?"
Und das ist für mich jetzt völlig unschlüssig. Es wurde wohl in Limburg Ost geladen. Der Audi Hybrid lädt nur an Typ2. Der CCS-Anschluss der Ladesäule hätte also auch funktionieren müssen, so lange der Audi gleichzeitig geladen hat. Das funktioniert parallel. Weiterhin wäre 2km vor Limburg Ost eine Fastned Ladestation gewesen, die sehr zuverlässig ist, 3CCS Ladestationen besitzt und der Kona dort auch noch schneller laden könnte.

Hier könnte man jetzt auch noch eine Diskussion anfangen, was ein Audi Plugin-Hybrid an einem Schnellader an der Autobahn zu suchen hat, aber das lassen wir lieber.

"Für die Ladung in unserem Zielort standen nur 11 kW-Säulen in der Nähe zur Verfügung. Also immer über 10 Stunden dort abstellen und drei Kilometer zu Fuß zur Übernachtung. War wenigstens gesund..."
Wenn es am Zielort an der Übernachtungsstelle keine Lademöglichkeit gibt, ist das natürlich blöd. Meist lassen sich da aber komfortable Lösungen finden. Aber das kann man ja mal so stehen lassen.

Zu den Kosten der Reise

"Betrachtet man die reinen Fahrtkosten, steht es unterm Strich übrigens unentschieden. Mit 105 bis 106 Euro unterscheiden sich die Kosten zwischen Stromer und Diesel praktisch nicht. Zugrunde gelegt wurden die tatsächlich bezahlten Ladekosten sowie der reale Durchschnittsverbrauch meines Diesels (6,7 Liter / 100 km bei 1,26 Euro pro Liter)."
Die Kosten kann ich wieder nur teilweise nachvollziehen. Im Focus-Artikel ist eine Tabelle mit den Ladedaten angegeben. Leider fehlt der Anbieter, der zum Freischalten der Ladesäule verwendet wurde. Ich vermute in den meisten Fällen war das mit enBW (vermutlich per App).

Ich werde das mal auseinanderpflücken und eine Gegenrechnung aufstellen.

1. Ladung: 52kWh zu Hause am Haushaltsstrom. Preis 15,08€, was ca. 29ct/kWh entspricht. Das ist üblicher Haushaltsstrompreis. Geht in Ordnung.

2. Ladung: Ionity Ohligser Heide Ost. Geladen 34,63kWh. Preis 8,20€. Den Preis kann ich nicht ganz nachvollziehen, liegt aber nicht weit entfernt vom offiziellen Ionity Preis. Mit Plugsurfing hätte es 8,80€ gekostet, mit Shell Recharge (früher NewMotion) nur 7,60€.

3. Ladung: E.ON Medenbach West. Für 45,2kWh wurden hier 22,14€ bezahlt. Da frage ich mich schon, wie. In der E.ON Drive App kostet ein DC-Ladevorgang pauschal 8,95€. Das wäre also definitiv billiger gegangen ohne wirklichen Aufwand.

4. Ladung: Das war an einer 22kW Säule am Zielort. 19kWh frü 7,40€ Da wurde relativ viel geladen, d.h. es wurde auch viel gefahren. Evtl. hätte man da geschickter an einem Schnellader laden können, die in Waiblingen in der Nähe vorhanden gewesen wären. Das geht aber aus dem Artikel nicht so richtig hervor. Die Ladung für 39ct/kWh geht in Ordnung. Die etwas billigere Maingau Karte hätte das Problem gehabt, dass nach 4 Stunden eine Zeitgebühr angefallen wär.

5. Ladung: Siehe 4. War auch am Zielort. 50,4kWh für 19,64€.

6. Ladung: enBW Limburg Ost. 42,6kWh für 20,86€. Das war vermutlich mit der enBW App. Mit Maingau hätte die Ladung dort z.B. nur 14,91€ gekostet.

7. Ladung: Ionity Ohligser Heide. Vermutlich wieder mit enBW geladen, 27,8kWh für 13,61. Hier wären Shell Recharge (7,60€) oder der offizielle Ionity-Preis (8€) wieder billiger gewesen.

Wenn wir also mal mit den günstigeren Preisen rechnen, kämen wir auf 81,18€, also ca. 25€ weniger als mit dem Diesel.

Die Ladepreise sind teilweise wirklich noch sehr unübersichtlich. Eine große Hilfe ist hier der Ladekarten-Kompass von Emobly, der monatlich aktualisiert wird und für die gängigsten Ladesäulenanbieter die günstigsten Preise aufzeigt.

"Von der Politik fordere ich: Alle Abgeordneten, die uns gerade die schöne neue Elektro-Welt in schillernden Farben ausmalen, müssen zwangsweise vier Wochen lang ausschließlich E-Mobil oder Bahn fahren. Das mag in Berlin sogar gehen - aber im Emsland ganz sicher nicht."

Das fordere ich auch. Allerdings nicht, um zu zeigen, dass die E-Mobilität nicht funktioniert, sondern um den Politikern klar zu machen, wo es noch hakt.

Fazit

Im Großen und Ganzen war der Artikel im Focus mal wieder sehr tendenziös gegen Elektromobilität ausgerichtet.

Ja, es hakelt noch an der einen oder anderen Stelle, so dass man nicht blind drauf losfahren kann wie mit seinem Diesel. Man sollte sich vorher informieren wo man laden kann und welche Ladekarten oder Freischaltmöglichkeiten man für die Ladesäulen benötigt. Das größte Problem in meinen Augen ist das Freischalten von Ladesäulen. Damit gibt es die meisten Probleme. Insbesondere, wenn das nur per App möglich ist.

Eine Regel sollte man sich für Langstrecken merken: Meide E.ON und innogy Schnellader wo es nur geht. Ionity und Fastned sind eigentlich uneingeschränkt zu empfehlen. Allego und enBW folgen in der Zuverlässigkeit dicht dahinter.

Für die Routenplanung sollte man auf ABetterRoutPlanner.com setzen. Der filtert teilweise defekte Ladestationen bereits aus und erstellt sehr brauchbare Routen mit Ladestopps und Infos zu Fahr- und Ladezeiten.

Bleibt am Ende noch die Frage, wieso man als E-Auto Neuling direkt nach der ersten Langstrecke auf der Probleme aufgetaucht sind zur Presse rennt und so einen Artikel schreibt. Ich hätte da glaube ich eher mal übelegt, was ich hätte ändern können um die aufgetauchten Probleme zu vermeiden. Hätte vielleicht ein paar weitere Tests gemacht und dann die Erfahrungen vielleicht in einem Artikel geschildert und Verbesserungspotenzial aufgezeigt.

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